Das Glashaus

In einem Glashaus mit Blick zu den Sternen, spinnt eine Frau aus rotem Leid eine Geschichte. Sie sieht nicht, kann aber erkennen, dass ein Leben vorüberzog und sich versteckte. Wundersame Dinge vollzogen sich, doch niemand schenkte ihnen Beachtung. Woher kommt diese Gleichgültigkeit? Ein Mann, verstrickt in seinem traurigen Wesen, versucht die rettende Hand zu ergreifen. Er fasst daneben, mit Absicht, will lieber ertrinken als frei sein. Das Ende dieser Geschichte steht jetzt am Anfang. Wir sind kalt geworden. Seine Worte sind nicht die Worte seines Herzens und nicht die Worte seines Verstandes. Sie sind in dem Chaos dazwischen entstanden und deshalb auf keinen Fall wahr. Doch lässt sich damit nichts anfangen, nur beenden, was sie dann auch tut. Denn was bleibt sonst zu tun? Wir wollten nicht, dass es so endet, aber nichts gibt einen Sinn.

Die Sterne blinken, doch die Sonne verdeckt ihr Leuchten. So wartet sie also auf den Vollmond. Was auch immer passiert, es passiert in Vollmondnächten. Auch die Einsamkeit. Warum sie so knapp aneinander vorbei gelaufen sind weiß sie nicht. Er wollte etwas ganz Bestimmtes hören, doch sie konnte nur das Falsche sagen, denn sie verstand nicht. Wie hätte sie denn auch verstehen sollen, wenn er selbst nicht wusste, was jetzt richtig gewesen wäre. Auf jeden richtigen Weg kommen hundert falsche Wege. Wer kann ihnen da noch übel nehmen was sie taten.

Das Glashaus wartet auf einen neuen Tag. Zeuge einer nicht genutzten Chance. Die Scheiben beschlagen, kondensiertes Wasser wie Tränen. Die Kälte in ihm war schon viel zu weit gekommen. Da konnte ihr kleines Feuer nur noch Wasserschaden anrichten. Was auch immer an Gefühlen dagewesen sein mochte, wurde mit der Flut in die weite Leere dieser Zeit geschwemmt.

Viel hätte geschehen können. Die Pläne und Träume lagen schon greifbar vor ihnen. Die Trauer um diese Träume hinterlässt eine Wunde. Sie werden sie ignorieren, doch etwas wird immer bleiben. Mit jedem Verlust wird sie weniger - und mehr und lebendiger. Jeder Tod, jeder Anfang. Sie ist das Risiko eingegangen. Die Fenster im Glashaus sind noch intakt. Nur sie selbst ist gestürzt, jetzt heißt es wieder aufstehen. Doch was wird mit ihm geschehen. Die Kammer seiner Seele ist dunkel und die Tür ist fest verschlossen. Wird er die Tür in diesem einzigen Leben noch einmal öffnen? Nicht für sie. Wird ihn die Kälte seiner Angst für immer gefangen halten? Die Frau kennt die Antwort nicht. Für alles andere fehlt ihr die Kraft. Nur manchmal, wenn der Mond ins Glashaus scheint, empfindet sie Mitleid mit seinem gequälten Selbst.

Wenn ich gestorben bin, hat sie gefragt, wird mein Herz dann Frieden finden? Und die Welt hat gelacht. Die Suche wird nie beendet werden, sie kann nichts finden. Wieviel Frieden liegt in unerfüllter Sehnsucht. Von einem Wunsch verfolgt geht sie weiter. Sie kennt ihren Weg, es ist nur ein Pfad, kaum zu erkennen. Wie viele Kurven, wie viele Höhen und Täler dieser Pfad noch kennt, weiß sie nicht. Wenn nur ein anderer Pfad ein Stück parallel ginge. Sie hat genug von den Kreuzungen die sie aufhalten und verstören. Die Schmerzen und Trauer in ihr Leben bringen und doch kaum eine Spur hinterlassen.

Viele hat sie schon gesehen, deren Pfade in die gleiche Richtung gingen. Nur die anderen blieben stehen. Oder sie nahmen einen falschen Weg. Oder sind panisch weggerannt. Ohne Weg. Ohne Ziel. Wenn sie manchmal in den Spiegel sieht, fragt sie sich, ob es an ihr liegt. Ist sie zu direkt. Also schließt sie die Augen und geht weiter. Die Einsamkeit an ihrer Seite, ein alter Freund, treu und aufmerksam. Die Sonne auf ihrem Gesicht bringt sie zum Lachen. Sie ist auf dem Weg zum Meer. Dort wird es enden oder beginnen. Dort muss sie hin.

Ein Glashaus mit Blick zu den Sternen steht am Meer. Das Rauschen der Wellen füllt den Raum und lässt die Blüten leuchten. Die Frau sitzt auf dem Boden und wartet. Langsam kehrt die Erinnerung zurück und sie lächelt. Wie gerne würde sie wissen, wie es ihm geht. Sie träumt noch manchmal von ihm. Hatte er den Mut in sich hinein zusehen? Und was hat er dort wohl gefunden. Sie ist neugierig. Sie hofft, er hat sich selbst gefunden und sie hofft, die Enttäuschung war nicht allzu groß. Ihre Hände schmerzen. Gerne hätte sie ihre Hand auf seine warme Haut gelegt. Leise lachen die Elfen und entführen sie für kurze Zeit.

Ein Körper erwacht wieder und wartet auf eine Berührung. Irgendwo ist eine Warnung ausgesprochen worden. Was hält sie zurück. Sie will nicht sein wie er, denn sie weiß, dass er alle Warnungen in den Wind geschlagen hat. Jetzt, zu diesem Zeitpunkt, ist sie nicht mehr die letzte, die er berührt hat. Er denkt es ist der Beweis dafür, dass sie nie etwas bedeutet hat. Er flieht schon wieder, immer vor sich selbst. Warum ist er nicht zufrieden mit seinem Leben? Wird er es jemals verstehen. Langsam wird es dunkel. Der Schmerz ist nur noch ganz entfernt zu spüren. Sie hätte ihm gerne geglaubt, aber die Wahrheit war stärker. Nun wird es Zeit das Glashaus abzuschließen und den Frieden zu suchen. Sie liegt wach und die Sehnsucht ihres Körpers schmerzt bis in ihr Herz.

Später. In der Zärtlichkeit einer Umarmung verwandelt sich der Schmerz in Trauer, dann in Bedauernd, dann Erinnerung. Was immer auch geschehen mag, seine Stimme bevölkert das Glashaus, der Dorn in seiner Brust trägt ihren Namen, die Verbindung bleibt bestehen. Das Warten auf das Ende ist erst der Anfang. Der Anfang ist der erste Schritt ins Leben. Manche finden diesen Anfang nie. Die Frau weiß, sie erkennt, sie geht weiter, sie träumt noch. Ihr Lächeln ist wichtig und kann nicht warten. Sie streckt die Hand aus und wartet, dass irgendwer sie ergreift.